Mietendeckel: Berliner Mietendeckel für nichtig erklärt
Letztes Update: 15.04.2021
Am 15.4. hat das Bundesverfassungsgericht, das seit dem letzten Jahr geltende Gesetz zum Mietendeckel für nichtig erklärt. Nicht die Länder, sondern der Bund sei für die gesetzliche Regulierung zuständig, so die Begründung des Bundesverfassungsgerichts.
Was bedeutet die Änderung für Vermieter und Mieter?
Ab sofort können Vermieter einen Rückzahlungsanspruch geltend machen und die alten Mieten wieder in Kraft setzen. Mieter sind verpflichtet, die durch das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWOG Bln) eingesparten Beiträge zurückzuzahlen und dürften in den kommenden Wochen eine schriftliche Benachrichtigung vom Vermieter erwarten.
Erste Berliner Wohnungsunternehmen haben bereits nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erklärt, dass sie keine Mietrückzahlungen einfordern werden. Andere Wohnungsfirmen wollen ihren Mietern Ratenzahlungen anbieten. Für den Großteil der Mieter ist aber zu erwarten, dass sie die gesamten Mietbeiträge zurückzahlen müssen. Mieter können nun noch prüfen, ob sie von der seit 2015 geltenden Mietpreisbremse betroffen sind.
Themen auf dieser Seite
- 1. Was ist der Mietendeckel?
- 2. Wie funktioniert der Berliner Mietendeckel?
- 3. Wann greift der Mietendeckel?
- 4. Ist der Mietendeckel rechtskräftig?
- 5. Welche Auswirkungen hat der Mietendeckel auf den Wohnungsverkauf?
- 6. Wie ändern sich die Immobilienpreise in Berlin?
- Exkurs: Wie funktioniert der Mietendeckel in anderen Ländern?
1. Was ist der Mietendeckel?
Am 22. Oktober 2019 hat der Berliner Senat den Entwurf des „Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin“, besser bekannt als Mietendeckel, vorgelegt, um den steigenden Mieten in der Hauptstadt entgegenzuwirken. Über den Mietendeckel werden die Mieten für Bestandsbauten vor 2014 für fünf Jahre eingefroren (Mietenstopp). Dies gilt für rund 1,5 Millionen der Berliner Mietwohnungen.
2. Wie funktioniert der Berliner Mietendeckel?
Es darf maximal die gültige Stichtagsmiete verlangt werden - auch bei Staffelmietverträgen oder Indexmietverträgen.
Stichtag: Vermieter wurden verpflichtet, ihre Mieter unaufgefordert bis 23. April 2020 über die Mietobergrenze zu informieren.
Mietsenkung: Die Miete ist bis zum 22.11.2020 auf 20 Prozent über der Mietobergrenze zu senken, sollte sie mehr als 20 Prozent über dieser liegen.
Ab 2022 kann die Miete jährlich zum Inflationsausgleich bis 1,3 Prozent - jedoch maximal bis zur Mietobergrenze - erhöht werden.
Nach Modernisierung darf eine Mieterhöhung von max. 1 Euro pro Quadratmeter erfolgen.
Bei Neuvermietung ab dem 22. Februar 2020 gelten die Mietobergrenzen der Mietentabelle.
Mietendeckel-Tabelle
Die zulässige Nettokaltmiete für Wiedervermietungen ab dem 22. Februar 2020 wird durch die Mietentabelle geregelt. Diese berücksichtigt Alter und Ausstattung einer Wohnung. Außerdem wird unterschieden zwischen Gebäuden mit maximal zwei Wohnungen und solchen mit mindestens drei Wohnungen.
Mietentabelle
Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin
Zur Berechnung der Obergrenze der Miethöhe von bestehenden Mietverträgen werden ebenfalls die Werte aus der Mietentabelle sowie zusätzlich Modernisierungen, Ausstattungsmerkmale und die Wohnlage hinzugezogen. Befindet sich die Miete 20 Prozent über der zulässigen Mietobergrenze (also >120 Prozent), so gilt sie als ‘verboten’ und muss bis zum 22.11.2020 auf 120 Prozent abgesenkt werden (Mietsenkung).
3. Wann greift der Mietendeckel?
Das Gesetz zur Mietenbegrenzung ist am 23.02.2020 in Kraft getreten, es gilt für fünf Jahre, also bis zum 22.02.2025. Die Mieten sind rückwirkend auf dem Stand vom 18. Juni 2019 eingefroren (Mietenstopp). Am 23.11.2020 ist die zweite Stufe des Mietendeckels in Kraft getreten. Dabei müssen Vermieter in Berlin die bereits bestehende Vertragsmiete senken, wenn sie über der zulässigen Obergrenze liegt.
4. Ist der Mietendeckel rechtskräftig?
Seit dem 23.11.2020 waren die Vermieter in der Hauptstadt dazu verpflichtet, den Mietendeckel durchzusetzen und eine Absenkung überhöhter Mieten durchzuführen, obwohl das letzte Wort zum Thema Berliner Mietendeckel noch nicht gesprochen war. Ausstehend war das Urteil vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Am 15.04.2021 erklärt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe den Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig. In der Pressemitteilung (Pressemitteilung Nr. 28/2021) des obersten deutschen Gerichts heißt es:
“Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) für mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig erklärt.
Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann (ungebundener Wohnraum), fallen in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit. Die Länder sind nur zur Gesetzgebung befugt, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat (Art. 70, Art. 72 Abs. 1 GG). Da der Bundesgesetzgeber das Mietpreisrecht in den §§ 556 bis 561 BGB abschließend geregelt hat, ist aufgrund der Sperrwirkung des Bundesrechts für die Gesetzgebungsbefugnis der Länder kein Raum. Da das MietenWoG Bln im Kern ebenfalls die Miethöhe für ungebundenen Wohnraum regelt, ist es insgesamt nichtig.”
Das Gericht begründet den Beschluss damit, dass der Berliner Senat nicht dazu berechtigt ist, derartige Regelungen auf dem freien Wohnungsmarkt zu treffen. Der Berliner Mietendeckel verstöße gegen das Grundgesetz, da das Mietrecht in Deutschland im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert ist.
Welche Folgen hat das Urteil für die Mieter?
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gelten wieder die vorangegangenen ggf. höheren Mieten. Ist die Rechtsprechung auch rückwirkend gültig, muss die Differenz zwischen Vertragsmiete und Mietendeckelmiete für den gesamten Zeitraum nachgezahlt werden. Den Mietern drohen also hohe Nachzahlungen. Mietern wurde daher bereits im Vorfeld empfohlen, den Differenzbetrag vorsorglich zurückzulegen.
5. Welche Auswirkungen hat der Mietendeckel auf den Wohnungsverkauf?
Der Mietendeckel löst heftige Diskussionen aus. Grundsätzlich bietet der Berliner Mietendeckel Mietern natürlich einen Schutz vor immer weiter steigenden Mieten. Das ist zunächst nichts Schlechtes, denn in manchen Berliner Bezirken sehen sich Mieter tatsächlich mit horrenden Mietpreisen und teilweise unberechtigten Mieterhöhungen konfrontiert. Dennoch bleibt die Frage, ob der Mietendeckel auch eine Hilfe für diejenigen ist, die aktuell noch auf der Suche nach einer geeigneten Immobilie zur Anmietung sind.
In der Immobilienbranche wird Kritik laut, denn schon jetzt meldet die regionale Bauwirtschaft Auftragseinbrüche und befürchtet, dass sich zukünftige Investoren vom Berliner Immobilienmarkt abwenden.
Bereits im November 2019, also noch vor Eintritt des Mietendeckels, beobachteten Immobilienmakler erste Auswirkungen als Reaktion auf den Mietendeckel: Vor allem in den attraktiven Berliner Bezirken - wie Mitte, Prenzlauer Berg und Kreuzberg - ist ein deutlicher Anstieg der Verkaufsanfragen um fast 50 Prozent erkennbar. Besonders der Wohnungsverkauf von große Wohnungen ab 100 Quadratmeter, die bisher noch hochpreisig vermietet werden konnten und kaum auf den Markt kamen, werden jetzt verstärkt zum Verkauf angeboten.
McMakler-Umfrage zum Mietendeckel 2020
Im Oktober 2020 hat McMakler in einer Online-Umfrage 247 Makler des Unternehmens zu den Auswirkungen des Berliner Mietendeckels befragt. Das sind die Ergebnisse:
Immerhin 52,6 Prozent der befragten Makler beobachten, dass mehr höherpreisige Wohnungen auf den Berliner Immobilienmarkt kommen
Für Mitte berichten 50 Prozent der Makler, für Tempelhof-Schöneberg 20 Prozent und für Kreuzberg-Friedrichshain zehn Prozent der Makler, dass die Anzahl der Eigentumswohnungen auf dem Immobilienmarkt zunimmt
In Berlin wird in 50 Prozent der Fälle innerhalb der ersten zwei bis drei Monate des Vermarktungsprozesses ein Käufer gefunden
Ein genauer Blick zeigt, inwieweit sich das Angebot vergrößert. 60 Prozent der Makler berichten von circa zehn Prozent mehr Eigentumswohnungen auf dem Markt. Gut jeder dritte Befragte beobachtet ein wachsendes Angebot um 20 Prozent. Jeder zehnte Makler bestätigt sogar eine um 30 Prozent erhöhte Auftragslage bei Eigentumswohnungen in Berlin.
Durch den Mietendeckel herrscht im Allgemeinen also große Verunsicherung, weshalb viele Eigentümer ihre Wohnungen noch schnell abstoßen wollen. Mehr bezahlbarer Wohnraum wird so durch den Mietendeckel nicht geschaffen. Im Gegenteil: Die Eigentumsquote steigt, weil das Mietangebot sinkt.
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6. Wie ändern sich die Immobilienpreise in Berlin?
Grundsätzlich zeigt sich, dass Eigentumswohnungen in Berlin nicht lange auf Käufer warten müssen. Innerhalb eines halben Jahres ist beinahe jede Wohnung verkauft. Ein Blick auf die Details zeigt, dass die Mehrzahl der Wohnungen bereits drei Monate nach Inserierung den Besitzer wechselt. In 50 Prozent der Fälle wird innerhalb von zwei bis drei Monaten ein Käufer gefunden, in zehn Prozent der Aufträge sogar innerhalb der ersten ein bis zwei Monate. In 20 Prozent der Fälle dauert es drei bis vier Monate, bis die Immobilie verkauft ist. Bei jeweils zehn Prozent der Vermittlungen benötigt der Verkaufsprozess vier bis fünf beziehungsweise fünf bis sechs Monate.
Von langen Vermarktungszeiten wie sie in ländlichen Regionen eher die Regel sind, ist Berlin weit entfernt. Berlin wächst weiter, nicht nur was die Bedeutung als Wirtschaftsstandort, sondern auch was die Bevölkerungszahlen angeht. Entsprechend schnell lassen sich Eigentumswohnungen vermitteln. Wohneigentum ist begehrt, ungeachtet ob Rand- oder Innenstadtlage.
Auffallend viele höherpreisige Wohnungen, das berichtet gut die Hälfte der Makler, werden im Bezirk Mitte zum Verkauf angeboten. Jeder fünfte Makler macht ähnliche Beobachtungen für den Bezirk Tempelhof-Schöneberg.
Exkurs: Wie funktioniert der Mietendeckel in anderen Ländern?
Der Mietendeckel ist prinzipiell nichts Neues, er wurde in ähnlicher Art und Weise bereits in einigen anderen Ländern und Städten eingeführt. Die Ergebnisse boten dabei nicht immer das, was sich die jeweiligen Länder und Regierungen davon versprochen hatten. Im Gegenteil: Egal ob die Niederlande, Norwegen, Schweden, London oder Lissabon – die Liste der Länder und Städte, in denen der Mietendeckel ein Fehlschlag war, ist lang. Ebenso die Liste der dadurch entstandenen Probleme: von sinkenden Investitionen im Bereich der Immobilienwirtschaft, verfallenen Gebäuden bis hin zu unzureichenden Modernisierungsmaßnahmen.
Mietendeckel in Stockholm (Schweden)
Ein besonders besorgniserregendes Beispiel ist Stockholm, mit einem der am stärksten regulierten Mietmärkte der westlichen Welt. Ältere Mietwohnungen sind dort relativ günstig. Anders sieht das bei Neubauten aus, diese kann sich kaum noch jemand leisten – vor allem in bevorzugten, zentralen Lagen. Wer es wiederum geschafft hat, eine Mietwohnung zu ergattern, zieht so schnell nicht mehr aus. Dies hat zu einem regelrechten Schwarzmarkt für Mietverträge geführt, da es in Stockholm extrem lange Wartezeiten für Mietwohnungen gibt.
Mietendeckel in Lissabon (Portugal)
Als weiteres Negativbeispiel für einen Mietendeckel kann Lissabon in Portugal genannt werden, wo 1947 ein Mietpreis-Stopp eingeführt wurde, der 40 Jahre anhielt. Die Konsequenz: Investitionen in Neubauten oder Modernisierungsmaßnahmen blieben aus. Erst nach Ende des Mietendeckels schien es in Bezug auf Investitionen und Renovierungen bergauf zu gehen.
Natürlich sind diese Beispiele nicht vollständig mit Berlin zu vergleichen, da die jeweiligen Ausgangssituationen verschieden sind. Schließlich hat jedes Land andere Regularien, Gesetze und wirtschaftliche Voraussetzungen. Deshalb bleibt es abzuwarten, wie sich der Mietendeckel in Berlin entwickeln und wer am Ende wirklich von ihm profitieren wird.
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