Serielles Bauen: Zurück in die Zukunft?
Letztes Update: 25.04.2022
Werden Häuser bald wieder hauptsächlich in Masse geplant und industriell vorproduziert? Führt das womöglich zu neuen Plattenbau-Großsiedlungen und sozialen Brennpunkten? Spätestens seit der Wohnraumoffensive der Bundesregierung von 2018, bei der diese Bauweise explizit als ein Mittel im Kampf gegen den Wohnungsnotstand angeführt wurde, ist das serielle Bauen wieder in aller Munde. Aber was ist mit dem Begriff überhaupt gemeint? Erlebt der massenhafte soziale Wohnungsbau der DDR jetzt ein Revival? Oder nimmt serielles Bauen mit vorgefertigten Modulen heute andere Formen an? McMakler beleuchtet den Begriff “Serielles Bauen” und gibt einen Überblick, welche Vor- und Nachteile das Planen und Errichten von Wohnhäusern aus fertigen Elementen mit sich bringt.
Was ist serielles Bauen?
Als serielles oder modulares Bauen wird im Allgemeinen das Bauen mit hoch standardisierten, industriell vorgefertigten Modulen verstanden. Im Gegensatz zur Einzelbauweise werden dabei Bau- oder Raumteile nach Prototypen fern des Einsatzortes vorproduziert und auf der Baustelle nur noch zusammengesetzt. Oft wird der Begriff “Plattenbau” für Modulbauten und Massenwohnungsbau aller Art synonym verwendet, obwohl er ursprünglich eine Massivbauweise mit Betonplatten bezeichnet. Aber der Einsatz von Stahlbeton ist heute nicht mehr unbedingt rentabel. Bei der modularen Vorproduktion für moderne Fertighäuser in Deutschland finden vor allem Holzbauteile Verwendung, zuletzt zum Beispiel prominent bei einem Bürogebäude des Deutschen Bundestags.
Die Anfänge des Modulbaus liegen in den 1920er Jahren. In Pilotprojekten, wie in Deutschland zum Beispiel am Bauhaus, wurde nach massenkompatiblen Lösungen für bezahlbaren Wohnraum gesucht. Erste Hochphasen folgten nach dem Zweiten Weltkrieg, als beiderseits des Eisernen Vorhangs ganze Großsiedlungen aus fertigen Boden- und Deckenplatten sowie Wänden aus Beton montiert wurden. Bis in die 1980er Jahre hinein war vor allem in der DDR kostengünstiger sozialer Wohnungsbau in Form von Modulbauten der Standard, nicht zuletzt aufgrund staatlicher Wohnungsbauprogramme. Seit der Nachwendezeit gelten sogenannte “Plattenbauviertel” nicht nur in Ostdeutschland als Sinnbild trister Uniformität sowie als Herd sozialer Brennpunkte. Bei den Neubauten der heutigen Bundesrepublik hält sich der Anteil von seriell geplanten Gebäuden mit tragenden Fertigbauelementen weiterhin in Grenzen. Nur ein geringer Prozentsatz neuer Mehrfamilienhäuser wird modular vorgefertigt – konventionell gebaute Massivhäuser spielen nach wie vor die Hauptrolle. Dennoch nimmt die Nachfrage bei Wohnungsunternehmen zu, bis 2030 sollen Marktforschungsinstituten zufolge ca. 25 Prozent aller Neubauten aus Fertigteilen zusammengesetzt sein. Aber welche Argumente sprechen für oder gegen serielles Planen und modulares Bauen?
Der Begriff “Serielles Bauen”
Bei dem Begriff “Serielles Bauen” werden drei unterschiedliche Aspekte zusammen gedacht. Serielle Planung von Gebäuden mit beispielsweise gleichen Grundrissen sagt zunächst nichts über die Art der Fertigung aus. Das Standardisierte Bauen gibt Wiederholungen von Materialien und Elementen oder die Typisierung von Konstruktionen vor. Ebenso inbegriffen ist das Industrielle Bauen, womit die massenhafte Herstellung von Bauelementen in Fertigungshallen abseits der Baustelle bezeichnet wird.
Welche Vor- und Nachteile bietet serielles Bauen?
McMakler bietet Ihnen einen Überblick, welche Vor- und Nachteile die serielle Planung und industrielle Vorproduktion von Gebäudeteilen mit sich bringt.
Vorteile des seriellen Bauens
Die serielle Planung und Baudurchführung mithilfe von digitaler Vernetzung, Software und Automatisierung ermöglicht eine drastische Verkürzung der Bauzeit vor Ort. Eine mögliche Beeinträchtigung der Lebensqualität von Anwohnern der Baustelle durch Lärm und Schmutz wird reduziert, weil die fertigen Bauteile hier nur noch zusammengesetzt werden. Vor allem bei Maßnahmen der Nachverdichtung können dadurch ganze Viertel erheblich entlastet werden. Die Vorfertigung macht es einfacher, Bauzeiten im Vorhinein realistisch einzuschätzen und Prozesse zu optimieren. Alle Baubeteiligten können über Building Information Modeling (BIM) von vornherein eingebunden und Ressourcen effizienter eingesetzt werden. Eine automatisierte Fertigung in Fabriken, zum Beispiel mit dem Einsatz von Robotik, ermöglicht höher präzisierte und standardisierte Prozesse, was Emissionen reduziert und die Umwelt entlasten kann. Gleichzeitig beugt eine gründliche Vorplanung Kostenexplosionen vor und begünstigt eine flächendeckende Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums. Auch wenn der Platz für Neubauten begrenzt ist, wird serielles Bauen im Bereich der Gebäudesanierung bereits effizient eingesetzt. Energetische Sanierungen werden beispielsweise mithilfe von vorgefertigten Dämmplatten durchgeführt, die vor bestehende Außenwände gesetzt werden. Standardisierung und effiziente Herstellung bedeuten insgesamt geringere Baukosten und bringen damit das Potenzial mit, breite Bevölkerungsschichten beim Thema Wohnen zu entlasten. Neben dem sozialen Aspekt sind aufgrund der Einsparung von Ressourcen auch die positiven Folgen für die Umwelt nicht von der Hand zu weisen.
Nachteile des seriellen Bauens
So vielversprechend das Argument der Effizienz beim Bau auch klingen mag – die Wohnraumprobleme der Bundesrepublik hängen vor allem mit einer Knappheit an Bauland zusammen. Serielles Bauen, effiziente Planung und verkürzte Bauzeiten können nur dort vorteilhaft eingesetzt werden, wo es physischen Platz für Bauprojekte gibt. Wenn man diesen Platz schaffen will, indem man womöglich noch intakte ältere Gebäude abreißt, fällt die Energiebilanz selbst bei noch so effizient geplantem Modulbau eher negativ aus. Damit verbleiben als sinnvoller Anwendungsbereich industrieller Vorproduktion allen voran Projekte der Bestandssanierung und Nachverdichtung. Gerade letzteres Thema erfordert jedoch häufig eine hohe Flexibilität und individuelle Lösungen. Serielle Planung kann bei Nachverdichtung nur bedingt eingesetzt werden und ist im Zweifel mit hohen Zusatzkosten für diverse Anpassungen verbunden.
Ein weiterer Nachteil serieller Planung ist der Mangel an gestalterischer Vielfalt. Eine gewisse Gleichförmigkeit wohnt jeder Serienherstellung inne, auch wenn diese qualitativ hochwertigen Standards entspricht. Das Ideal einer Vernetzung projektbeteiligter Gewerke von der Planung bis zur Fertigstellung scheitert in der Realität häufig an einer schleppend voranschreitenden Digitalisierung. Auch wenn in der Planung hohe Standards gesetzt werden, kann die Baubranche diese noch nicht in allen Bereichen bieten. Wirkliche Innovationen, die für eine breite Etablierung serieller Planung und Produktion nötig wären, könnten derzeit nur von großen Unternehmen angeschoben werden. Für eine flächendeckende Umstrukturierung mit dem Schwerpunkt “Serielles Bauen” müssten die Kräfte am Markt erst gebündelt werden, was in der Praxis vorerst Zukunftsmusik bleibt. Nicht zuletzt stehen einer bundesweit einheitlichen Vorgehensweise die unterschiedlichen Bauvorschriften der Länder entgegen.
Rahmenvereinbarung “Serieller und Modularer Geschosswohnungsbau”
Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. hat im Zuge der Wohnbauoffensive der Bundesregierung 2018 die Rahmenvereinbarung “Serieller und Modularer Geschosswohnungsbau” ausgegeben. Im Zuge dessen entstehen derzeit Wohngebäude in Modulbauweise, deren Fertigstellung mit Evaluierungen wissenschaftlich begleitet wird.
Das serielle Bauen hält Chancen bereit
Die Befürchtung, ein neuer Schwerpunkt auf seriellem Bauen könnte neue, unwirtliche Großwohnsiedlungen mit sich bringen, ist unbegründet. Dies ist ein Punkt, der vor allem in der Stadtplanung berücksichtigt werden muss. Serielle Bauplanung bietet zunächst die Chance, schlanke Lösungen für alle möglichen Wohnraumprobleme zu finden. Das “Serielle Bauen”, auf das sich die Bundesregierung in ihrer Wohnraumoffensive bezieht, bedeutet vor allem eine effizientere Ausführung auf der Baustelle. Hier können Ressourcen und vor allem Zeit gespart werden, wenn man industriell vorgefertigte Bau- und Raumteile montiert. Einen wirklichen ökologischen Vorteil bietet das serielle Bauen nur bedingt. Neubauten hinterlassen immer einen großen “CO2-Fußabdruck”. Hier kann es bei der Wohnraumplanung zunächst nur darum gehen, bestehende, funktionstüchtige Gebäude nicht abzureißen. Besonders im Bereich der Nachverdichtung und der energetischen Sanierung kann serielles Bauen mit fortschreitender Digitalisierung aber ungeahnte Effizienz ermöglichen und damit bedeutende Zukunftschancen bieten.