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Chongqing im Porträt: Wie Dörfer zu Megastädten werden

Chongqing ist ein Beispiel dafür, wie chinesische Metropolen erweitert werden.

Mitten im Nirgendwo, umgeben von meterhohem Gras, grünem Ackerland und modrigen Sümpfen liegt die Caojiawan Metrostation. Eigentlich ist eine U-Bahnstation ja nichts Besonderes. Die Caojiawan-Station ist anders. Sie ist die einsamste Metrostation der Welt. Und dies, obwohl sie eigentlich Teil einer Stadt ist, in der Millionen von Menschen leben.

Das Gebiet rund um den Eingang der U-Bahnstation ist unerschlossen, es gibt keine Wege, keine Straßen, keine Gebäude. Der Eingang zur U-Bahnstation ist nur zu Fuß zu erreichen.

So sah es jedenfalls noch im Jahr 2017 aus … Nur fünf Jahre später ist die Caojiawan-Station kaum wiederzuerkennen. Dort wo zuvor tiefe Sümpfe und Ackerland die Landschaft prägten, stehen nun Hochhäuser, schlängeln sich Straßen und Verkehr entlang, warten Menschen auf ihren Bus oder ihre Taxis. Die einst einsamste Metrostation der Welt befindet sich plötzlich mitten in der Stadt.

Die Metrostation Caojiawan ist nur ein Beispiel für die zahlreichen Wunder der Stadtentwicklung Chongqings, der flächenmäßig größten Stadt der Welt. Einst ein kleines Fischerdörfchen, ist die Stadt innerhalb kürzester Zeit zu einer der bedeutendsten Wirtschaftszentren Chinas geworden. Die Stadt wächst rasend schnell, täglich zieht es hunderte neue Menschen hierher.

Doch wie kann ein Dorf innerhalb so kurzer Zeit zu einer Millionenmetropole werden? Wie schaffen die Stadtentwickler es, den rasant wachsenden Einwohnerzahlen hinterherzukommen? In diesem Artikel veranschaulicht McMakler Ihnen anhand des faszinierenden Beispiels von Chongqing, wie Metropolen in China wachsen.

Chongqing – Millionenstadt am Jangtse

Das in Chinas Südwesten liegende Chongqing, einst ein unbedeutendes Fischerstädtchen am Jangtse, ist heute die flächenmäßig größte Stadt der Welt. Mit einer Fläche von 82.000 Quadratkilometern ist die Stadt etwa so groß wie Österreich. Hier leben und arbeiten mehr als 32 Millionen Menschen in insgesamt 26 Bezirken.

Chongqing wird oft als die größte Stadt der Welt bezeichnet, was jedoch nicht unbedingt gerechtfertigt ist: Im Ballungsraum Chongqing wohnen nur etwa 12 Millionen Menschen. Die übrige Bevölkerung lebt in kleineren Satellitenstädten und ländlichen Bezirken um die Stadt herum. Nichtsdestotrotz kann man Chongqing als eine der am schnellsten wachsenden Städte der Welt bezeichnen. Jährlich ziehen rund 500.000 neue Menschen hinzu. Im direkten Vergleich: Nach Berlin ziehen gerade einmal 15.000 Menschen pro Jahr.

Die Stadtentwicklung von Megastädten in China ist ein faszinierendes Themengebiet. Ganz anders als Metropolen im Westen haben diese Millionenstädte riesige Bevölkerungszuwächse pro Jahr zu bewältigen. China ist ein Musterbeispiel, wenn es um den Bau von Infrastruktur und Wohnraum für Millionen geht. Die Hunderttausenden Menschen, die jährlich in die Stadt ziehen, brauchen allesamt Raum zum Wohnen, zum Leben und Arbeiten.

Chongqing hat sich in kurzer Zeit von einem Fischerstädtchen in eine Millionenmetropole entwickelt.

Stadtentwicklung in China: Vom unbekannten Dorf zur Millionenmetropole

Um zu verstehen, wie chinesische Megastädte gebaut und erweitert werden, müssen wir in die Vergangenheit reisen. Im Jahre 1978 lebte ein Großteil der Menschen im Westen Chinas immer noch auf dem Land, obwohl der Osten schon weitgehend industrialisiert war. Fast alle Menschen arbeiteten hier noch in kleinen Landbetrieben. Etwa um diese Zeit begann Chinas Regierung auch, mit kapitalistischen Wirtschaftsformen zu experimentieren. Dies führte dazu, dass es in Städten plötzlich neue Arbeitsmöglichkeiten gab, mit denen die Menschen zum ersten Mal zu relativem Wohlstand kommen konnten. Weil es plötzlich die Mittel dazu gab, konnten Städte und Kommunen also damit beginnen, in Häuser und Infrastruktur zu investieren. Das Resultat war die ökonomisch getriebene Landflucht. Tausende Menschen zog der Wunsch, sich ein besseres und wirtschaftlich erfolgreiches Leben erarbeiten zu können, vom Land in die Stadt. So wurden aus kleinen Dörfern plötzlich Metropolen, aus Metropolen wurden urbane Cluster.

Auch Chongqing war 1979 noch ein kleines, unbedeutendes Fischerstädtchen mit gerade einmal 30.000 Einwohnern. Doch die Regierung hatte einen Plan. Mit der „Go-West“ Strategie, einer Strategie der chinesischen Regierung, den kaum entwickelten Westen Chinas zu erschließen, sollte gerade Chongqing zum Urbanisierungsmodell für andere Städte in China werden. Die Regierung in Peking förderte die Stadtentwicklung bewusst und investierte riesige Summen in die Infrastruktur der Stadt. Chongqing wurde mit Steuernachlässen für Firmenansiedlungen begünstigt, was zusätzlich zu einem großen Zuzug von Arbeitskräften aus den ländlichen Regionen führte. Als im Jahr 1990 der Bau des Drei-Schluchten-Damms begann, wurden abermals unzählige Menschen aus ihren Häusern vertrieben und flohen in die Stadt, die langsam zum Boomzentrum des chinesischen Westens wurde.

Hochhaus in nur 28 Stunden: So erweitert sich die Stadt heute

Chongqing hat über die Jahre keineswegs an Bedeutung verloren, noch heute ist die Stadt der am schnellsten wachsende Ballungsraum der Welt. Immer mehr Menschen aus dem ärmlichen Westen Chinas wollen nach Chongqing. Täglich entstehen hier 160 000 Quadratmeter neuer Wohn- und Arbeitsflächen. In den letzten 10 Jahren sind bereits über 500 Wolkenkratzer gebaut worden.

Pro Jahr müssen Wohn- und Arbeitsflächen für 500.000 neue Menschen geschaffen werden.

Das Prinzip, nach dem chinesische Metropolen erweitert werden, nennt sich “Infrastruktur zuerst”. Straßen und Stadtbahnlinien werden bereits gebaut, bevor überhaupt ein einziges Gebäude errichtet wurde. So konnte man im Jahr 2017 mitten in der Stadt in die U-Bahn steigen, bei der Caojiawan-Station aussteigen und plötzlich in der freien Natur stehen. Die U-Bahnstation wurde strategisch in die Mitte des Nirgendwo gelegt, um die Stadt später einmal dorthin erweitern zu können.

Heute liegt die Caojiawan-Station mitten in der Stadt. Das Gebiet um sie herum floriert, Menschen wohnen und arbeiten im neuen Stadtteil. Um Unternehmen anzuziehen, wurde die Gegend um die Metrostation zur Freihandelszone erklärt. Unternehmen, die sich hier ansiedeln, müssen weder Zölle noch Steuern zahlen.

Alles um die sagenhafte U-Bahn-Station herum ist in nur fünf Jahren errichtet worden. Pro Tag entstehen in der Gegend etwa 130.000 Quadratmeter Nutzfläche. Was die Baugeschwindigkeit betrifft, kann kein anderes Land mit China mithalten.

Während der Bau eines Wolkenkratzers in Deutschland Jahre dauern kann, schafft man das in China in weniger als einem Monat, samt Innenausstattung. Die Rekordzeit für den Bau eines zehnstöckigen Wohnhauses in Chongqing liegt momentan bei unglaublichen 28 Stunden und 45 Minuten.

Das Geheimnis hinter der ultraschnellen Bauweise: Fertigmodule, die auf der Baustelle lediglich wie Legosteine zusammengesteckt werden müssen. Während die oberen Teile des Gebäudes noch zusammengesetzt werden, wird in den unteren Etagen bereits die Innenausstattung fertiggestellt. Nur so kann die Stadt der großen Nachfrage standhalten. Jedoch kommt das schnelle Bauen auch mit einem Preis: Oft bekommen die Gebäude schnell Risse in den Fassaden oder im Boden. Schönheit ist aber zweitrangig, denn standhaft sind die Gebäude allemal. Sie können Erdbeben bis Stärke acht aushalten.

Hochhäuser werden in China innerhalb eines Monats fertiggestellt.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Chinas Metropolen verändern sich rasend schnell. Alte Gebäude werden ständig abgerissen und durch neuere, höhere Bauwerke ersetzt, denn nur so kann genügend Wohnraum für den unaufhörlichen Bevölkerungszuwachs geschaffen werden. In Chongqing mittlerweile kaum noch Gebäude, die vor 1980 erbaut worden sind.

Obwohl die Wirtschaft boomt, sind die meisten Menschen arm. Während das Ballungszentrum der Stadt gut strukturiert ist und über eine ausgebaute Infrastruktur verfügt, fehlt es in den äußeren Bezirken an Krankenhäusern und Bildungseinrichtungen. So auch im Viertel Shibati: Das ärmliche Viertel mit kleinen Wohnungen und heruntergekommenen Häusern soll abgerissen werden, die städtische Verwaltung arbeitet an der Umsiedlung. Wer freiwillig umzieht, wird mit doppelter Wohnfläche in einem neuen Wohnhaus belohnt, das von der Regierung bezahlt wird. Doch nicht alle wollen ihre Wohnung aufgeben. Viele der in Shibati lebenden Menschen können nicht umziehen, da sie dort ihre Läden und Werkstätten haben. In den neuen Wohnhäusern, die ihnen von der Regierung gestellt werden, können sie jedoch keine neuen Arbeitsstätten eröffnen.

Dass einige Menschen sich weigern, auszuziehen, macht keinen Unterschied. Die Häuser werden trotzdem abgerissen – koste es, was es wolle.

In Chongqing gibt es kaum noch Gebäude, die vor 1980 erbaut worden sind.

Stadtentwicklung in der Metropole

In China verändern sich die Metropolen rasend schnell. Jährlich müssen für Hunderttausende neue Menschen Räume zum Wohnen und Arbeiten geschaffen werden. Aufgrund dieser enormen Nachfrage haben sich über die Jahre Bauweisen und -strategien in China etabliert, die diesem rapiden Bevölkerungszuwachs standhalten können.
Derartige städtebauliche Dimensionen sind uns im westlichen Europa fremd und dem einen oder anderen mag ein 28-Stunden-Hochhaus deshalb suspekt erscheinen. Dennoch bietet uns Chongqing einen faszinierenden Einblick in das Leben und die städtische Entwicklung in chinesischen Großstädten. Was denken Sie? Könnten auch Europas Großstädte in Zukunft zu rasant wachsenden Millionenmetropolen nach chinesischem Vorbild werden?

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