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Wohnen in Wien: Wie vorbildlich ist der Wiener Wohnungsmarkt wirklich?

Wohnen in Wien: Wie vorbildlich ist der Wohnungsmarkt?

Wien, die österreichische Hauptstadt, ist bekannt als Vorbild für einen gut funktionierenden Wohnungsmarkt. Wunderschön sanierte Altbauten, keine Massenbesichtigungen, eine kurze Wohnungssuche und dazu noch günstige Mieten - mit neidischen Blicken schauen Mieter aus Berlin, Hamburg oder München nach Wien. Für viele scheint Wien als das absolute Paradies für Mieter zu gelten, während die Mietpreise in den deutschen Metropolen explodieren. Aber ist das sogenannte “Wiener Modell”, das nicht nur in Deutschland sondern weltweit Interesse geweckt hat, wirklich so vorbildlich? Wie es auf dem Mietmarkt in Wien wirklich aussieht, welche Vorzüge, aber auch welche Nachteile die Wiener Wohnungspolitik mit sich bringt, haben wir für Sie in diesem Artikel zusammengefasst.

Wien zählt zu den lebenswertesten Städten der Welt

Dass die österreichische Hauptstadt Wien eine der beliebtesten und mitunter schönsten Metropolen der Welt ist, lässt sich kaum leugnen. Nicht nur einmal, sondern gleich dreimal schaffte es Wien auf Platz 1 der lebenswertesten Städte der Welt im Economist Intelligence Unit Ranking. In das jährlich erscheinende Ranking fließen sowohl politische, als auch ökonomische und soziale Faktoren ein und es werden zudem Aspekte, wie die Bildungsmöglichkeiten und die Infrastruktur einer Stadt bewertet. Darüber hinaus verfügt Wien über eine ausgezeichnete medizinische Versorgung und kann mit einem abwechslungsreichen Freizeit- und Kulturangebot punkten.

Im Ranking für das Jahr 2021 schaffte es Wien allerdings nur noch auf den 12. Platz. Grund dafür dürfte wohl auch die Corona-Pandemie sein. Wie so viele europäische Metropolen, hat auch Wien durch die zahlreichen Lockdowns und die zeitweise hohe Belastung der Gesundheitssysteme an Lebensqualität eingebüßt.

Das “Wiener Modell”

Sozialer Wohnungsbau hat in Wien bereits eine lange Tradition und geht bis auf das Jahr 1923 zurück. Die von der damaligen sozialistischen Stadtregierung erbauten Gemeindewohnungen gehören bis heute der Stadt Wien und machen rund ein Viertel des gesamten Wohnungsbestandes der Stadt aus. Damit besitzt keine andere Stadt der Welt so viele Wohnungen wie Wien. Die Stadt Wien hat im Vergleich zu Berlin nie Wohnungen gekauft oder verkauft, sondern immer nur selbst gebaut. Mehr als 30 Prozent der Wiener Bevölkerung leben heute in einer dieser sogenannten Gemeindebauten. Darüber hinaus handelt es sich bei 26 Prozent des Wohnungsbestandes um Genossenschaftswohnungen, die ebenfalls von der Stadt Wien gefördert werden. Sowohl für die Gemeindebauten als auch für die Genossenschaftswohnungen sind die Mietpreise staatlich reguliert. Es werden in der Regel zwischen 5 bis 9 Euro Bruttomiete pro Quadratmeter gezahlt. Zum Vergleich: In Deutschland unterliegen Sozialwohnungen meist nur für einen gewissen Zeitraum der Sozialbindung.

Darüber hinaus sind die Gemeindewohnungen in Wien einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich. Die Einkommensgrenze für die Wiener Wohnungen ist so hoch angesetzt, dass davon auch die Mittelschicht profitiert, so dass die soziale Struktur in den Gemeindebauten sehr durchmischt ist.

Wiener Wohnungspolitik doch nicht so vorbildlich?

Die Mietkosten für Wohnungen in den Altbauten der Stadt sind in Wien gedeckelt.

In einer Untersuchung der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland haben Experten die Wiener Wohnungspolitik kürzlich genauer betrachtet. Was dabei herausgekommen ist, hebt zwar viele Vorzüge des Wiener Modells hervor, deckt aber auch die negativen Aspekte auf. Zudem lässt sich das Wiener Modell des Wohnungsmarktes nicht so einfach auf andere Städte übertragen.

Auf den ersten Blick scheint es ganz so, als würden Mieter in Wien deutlich günstiger wohnen als in anderen Metropolen. Für einen Großteil der Wohnungen - dies gilt vor allem für die Gemeindewohnungen aber auch private Wohnungen, die vor 1949 erbaut worden sind – sind die Mietkosten gedeckelt. Darunter fallen also auch die beliebten Altbauwohnungen, um die sich Mietinteressenten in Großstädten heutzutage reißen. Doch der Schein trügt. Trotz der geringen Bruttomiete wird der Preis für die Mieter vor allem durch die Betriebskosten in die Höhe getrieben. Anders als in Deutschland können in Wien alle Betriebskosten auf den Mieter umgelegt werden. Hinzu kommt außerdem, dass die Vermietung von Wohnraum der Umsatzsteuer unterliegt und diese vom Mieter getragen wird. Obwohl Mieterschutz in den stadteigenen Wohnungen und im geförderten Wohnraum großgeschrieben wird, haben Mieter in Wien deutlich mehr Pflichten, zum Beispiel eine Instandhaltungspflicht, zu erfüllen. Auch dadurch werden die Kosten, die zusätzlich zur Miete anfallen, noch einmal deutlich erhöht.

Nur wenige Wohnungen in Wien auf dem freien Markt

Die wenigen Wohnungen auf dem freien Markt sind in Wien stark nachgefragt.

Für die Einen ein Vorteil für die Anderen ein Nachteil – bei den Wiener Gemeindewohnungen gibt es die sogenannten “Eintrittsrechte”. Sobald ein Mieter beispielsweise verstirbt, wird die Wohnung vorzugsweise an die Kinder, Enkel oder sonstige Familienmitglieder vermietet. So bleiben die Gemeindewohnungen oft über Jahrzehnte in einer Familie und kommen nie auf den freien Markt. Dadurch werden die Wohnungen zwar auch nie zu freien Konditionen vermietet, doch immer häufiger sprechen Experten hier von einer Zweiklassengesellschaft mit den alteingesessenen Privilegierten, die seit Ewigkeiten in einer Gemeindewohnung leben, und den Zugezogenen oder jungen Menschen und Familien, die kaum eine Chance haben an eine der gefragten Gemeindewohnungen zu gelangen. Denjenigen, die nicht an solche Wohnungen herankommen und sich eine der wenigen Wohnungen auf dem freien Markt beschaffen müssen, bietet sich ein ähnliches Bild auf dem Wohnungsmarkt, wie wir es aus Berlin oder Hamburg gewohnt sind. Die hohe Nachfrage nach den Wohnungen auf dem freien Markt hat dadurch zuletzt zu enormen Preisanstiegen geführt.

Wiener Modell nicht übertragbar auf andere Städte

Natürlich ist es nicht möglich, das Wiener Modell so einfach auf deutsche Großstädte zu übertragen. Die Wohnungspolitik und die Stadtentwicklung Wiens haben ihren Ursprung in ihrer ganz eigenen historischen Entwicklung. Und obwohl schon vieles in der Wiener Wohnungspolitik funktioniert, gibt es auch Haken am Wiener Modell. Wer eben nicht in den Genuss einer Gemeindewohnung der Stadt Wien kommt, zahlt ähnlich hohe Mieten wie in anderen Großstädten.

Dennoch können sich andere Großstädte zumindest ein Beispiel nehmen an Wiens Anliegen, einen sozialen und demokratischen Wohnungsmarkt zu schaffen. Die Zustände auf den Wohnungsmärkten der deutschen Metropolen mit explodierenden Mieten und Initiativen wie “Deutsche Wohnen & Co. enteignen” zeigen deutlich, dass künftig Lösungen gefunden werden müssen, um den hiesigen Wohnungsmarkt sozialer zu gestalten.

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