Enteignung: Wann der Staat Immobilien wegnehmen kann
Letztes Update: 02.06.2022
Das Thema „Enteignung“ wurde kürzlich vor allem in Berlin diskutiert: Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ forderte im Hinblick auf den immer knapper werdenden Wohnraum die Enteignung von privaten Wohnungsunternehmen. Die Möglichkeit, Immobilien zu enteignen, ist im Grundgesetz verankert. Es gibt jedoch bestimmte Bedingungen. Alles, was Sie als Immobilieneigentümer zum Thema Enteignung wissen sollten, lesen Sie hier.
Enteignung: Bedeutung für Immobilieninhaber
Die Voraussetzungen und der Ablauf einer Enteignung sind in Artikel 14 Abs. 3 GG gesetzlich geregelt. Als Enteignung wird der Entzug des Eigentums an einer beweglichen oder unbeweglichen Sache durch den Staat gegen eine Entschädigung bezeichnet. Für Immobilienbesitzer bedeutet dies, dass Wohnungen, Häuser und Grundstücke durch die Bundesrepublik Deutschland enteignet werden können. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Maßnahme dem Wohle der Allgemeinheit dient. Gleichzeitig muss dem Betroffenen eine Entschädigung geboten werden.
Wann ist eine Enteignung durch den Staat möglich?
Die Enteignung einer Immobilie kann vorgenommen werden, wenn diese dem Wohle der Allgemeinheit dient. Wann das der Fall ist, ist Auslegungssache. So werden als Allgemeinwohl zum Beispiel Infrastrukturmaßnahmen gewertet, wie der Ausbau des Schienennetzes, der Straßenbau oder der Braunkohleabbau. Grundsätzlich darf die Enteignung nur als letzte Maßnahme und nach ausgiebiger Prüfung vorgenommen werden, ob nicht doch andere Möglichkeiten bestehen. Eine Enteignung kann auch vorübergehend sein, zum Beispiel wenn der Immobilieneigentümer sich über lange Zeit nicht um die Instandhaltung der Immobilie kümmert. Denn Artikel 14 Abs. 2 legt fest, dass Eigentum verpflichtet und somit Eigentümer ihre Immobilie pflegen müssen.
Eine Enteignung ist demnach dann rechtmäßig, wenn:
ein Bundes- oder Landesgesetz als Grundlage der Enteignung dient,
nachgewiesen werden kann, dass sich zuvor bemüht wurde, die Immobilie oder das Grundstück auf üblichem Wege zu erwerben,
Grund zur Annahme besteht, dass die Immobilie oder das Grundstück zeitnah für das geplante Vorhaben benötigt werden,
als Entschädigung – falls möglich – ein adäquater Ersatz angeboten wird.
Ablauf eines Enteignungsverfahrens
Bevor das Enteignungsverfahren eingeleitet wird, müssen meist Bund oder Land als Projektträger dem Eigentümer ein angemessenes und ernsthaftes Angebot unterbreiten. Schlägt der Eigentümer das Kaufangebot aus, wird das Enteignungsverfahren begonnen. Dazu stellt der Projektträger einen Enteignungsantrag nach § 104 Baugesetzbuch bei der zuständigen Enteignungsbehörde.
Daraufhin beraumt die Enteignungsbehörde einen Termin zur mündlichen Verhandlung zwischen Antragssteller und Eigentümer sowie anderen Interessenparteien mit Rechten an der Immobilie an. Einigen sich die Beteiligten innerhalb der Verhandlung, wird das Enteignungsverfahren an der Stelle beendet. Wird keine Einigung erzielt und gibt die Enteignungsbehörde dem Enteignungsantrag statt, erlässt diese einen Enteignungsbeschluss. Ein Enteignungsbeschluss muss allen Beteiligten zukommen und enthält folgende Informationen:
Namen des Antragstellers sowie des von der Enteignung Betroffenen und weiterer Beteiligten
Zweck der Enteignung sowie die Frist, innerhalb der die Immobilie zu diesem Zweck verwendet werden soll
Gegenstand der Enteignung
Entschädigungsart und Höhe der Ausgleichszahlungen
Rechtsbelehrung der Beteiligten
Was können betroffene Eigentümer gegen eine Enteignung tun?
Grundsätzlich haben Betroffene die Möglichkeit, juristisch gegen die Enteignung vorzugehen und Klage zu erheben, um ihre Interessen auf dem Rechtsweg geltend zu machen. Eine weitere Möglichkeit besteht im vorherigen Grundstücks- oder Immobilienverkauf oder der Annahme des Entschädigungsangebots. Die Entschädigung erfolgt in der Regel in Form einer Geldzahlung. Des Weiteren ist eine Entschädigung durch Land oder die Gewährung anderer Rechte möglich.
Gut zu wissen:
Um die Höhe der Entschädigung festzulegen, wird der Marktwert der Immobilie ermittelt. Ein Entschädigungsangebot gilt als angemessen, wenn es den Immobilienwert um nicht mehr als 25 Prozent unterschreitet.
Was ist eine kalte Enteignung?
Von einer kalten Enteignung wird dann gesprochen, wenn ein Grundstück oder eine Immobilie mehr oder weniger unter Wert zwangsveräußert werden muss. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn eine Gemeinde von einem Ankaufsrecht Gebrauch macht und innerhalb des Vertrages Aspekte geltend gemacht werden, die zu einem geringeren Verkaufspreis für den Eigentümer führen.
Der Immobilienverband Deutschland (IVD) versteht unter kalter Enteignung außerdem Regelungen des § 172 des Baugesetzbuchs, die es einer Kommune ermöglichen, in bestimmten Gebieten strenge Sanierungsauflagen zu verhängen. Die Gemeinde kann festlegen, an wen und zu welchem Preis eine Immobilie verkauft wird. Gleichzeitig können Mieterhöhungen untersagt werden.
Enteignung nur in Ausnahmefällen möglich
Um eine Immobilie zu enteignen, ist das Vorliegen verschiedener, klarer Voraussetzungen erforderlich. Wird der Zweck der Enteignung nicht angemessen im Sinne des Allgemeinwohls dargelegt, gibt es kein Recht auf Enteignung.
Immobilienbesitzer, deren Grundstück enteignet wurde, haben in Ausnahmefällen das Recht auf Rückenteignung. Die Grundlage dafür bieten § 102 und § 103 des Baugesetzbuchs, nach denen die Chance auf Rückenteignung dann bestehen kann, wenn:
die Gemeinde oder das Land das enteignete Grundstück nicht innerhalb der vereinbarten Frist verwendet,
die angegebenen Pläne, zum Beispiel zum Straßenbau, vor Fristablauf verworfen wurden und somit der Zweck der Enteignung entfällt,
die Gemeinde die Vereinbarungen zur Übereignung nicht erfüllt hat.